„Verliebt, verlobt, verheiratet“ – so singen Schulkinder, um Klassenkameraden zu ärgern. Vermutlich seit es Schulen gibt. Irgendwann sind sie dann so alt, dass sie es selbst durchleben, das „Verliebt, verlobt, verheiratet“. Noch später im Leben denkt mancher altgewordene Erwachsene wehmütig zurück an das, was hätte sein können und nicht geworden ist… verliebt, verlobt, verheiratet.
„Verliebt, verlobt, verheiratet“ – das klingt nicht nur deshalb so griffig, weil sich damit so leicht auf dem Schulhof hänseln lässt. Sondern auch, weil es das Wachstum einer zwischenmenschlichen Beziehung so zutreffend charakterisiert: Als Prozess einer fortwährenden Annäherung. Erst verliebt, dann verlobt, dann verheiratet. Hoffentlich in dieser Reihenfolge. Fortwährende Annäherung in Beziehungen – darauf sind wir Menschen in der Regel programmiert. Von Null auf Hundert in zehn Sekunden – das geht nur im Motorsport.
Mit dem christlichen Glauben ist es nicht anders. Wie eine Beziehung zwischen Mensch und Mensch ist auch der Glaube als Beziehung zwischen Mensch und Gott ein fortlaufender Annäherungsprozess. Auch der Glaube ist eine Art „Verliebt, verlobt, verheiratet“ (und nicht nur, weil glaubende Menschen bisweilen gerne gehänselt werden). Von Null auf Hundert in zehn Sekunden, das geht auch im Glauben nicht.
Weihnachten ist eine jedes Jahr wiederkehrende Erinnerung, dass Gott Mensch wurde. Der wirkliche Gott wird ein wirklicher Mensch. Von Hundert auf Null in einer Krippe. Aber wir Menschen – wir brauchen länger, um uns auf diesen Annäherungsversuch Gottes einzulassen. Die Hirten „machen sich auf“, Maria „bewegt die Worte in ihrem Herzen“, die Magier aus dem Osten „folgen einem Stern“. Die Begegnung mit dem Mensch-gewordenen Gott ist ein „Prozess der fortwährenden Annäherung“. Verliebt, verlobt, verheiratet.
Einer von denen, die dem Mensch-gewordenen Gott vor 2000 Jahren persönlich begegnet sind, heißt mit Vornamen Johannes (Nachnamen waren damals noch nicht so in Mode). In einem Brief schreibt er einmal davon, dass er durch seine Freunschaft mit Jesus Gott selbst gehört hat, ihn „mit Augen gesehen“ und „mit Händen betastet“ hat (1. Johannes 1,1). So eindrücklich diese Erlebnisse für Johannes auch gewesen sein mögen – sie haben ihn nicht von Null auf Hundert zum glaubenden Menschen gemacht, sondern einen „Prozess der fortwährenden Annäherung“ ausgelöst. Denn im nächsten Satz schreibt er über Jesus:
„Das Leben [Jesus] ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist…“
Wir haben gesegen, wir bezeugen, wir verkündigen. Verliebt, verlobt verheiratet. Ich finde, Johannes beschreibt hier sehr treffend die Auswirkungen eines wachsenden Glaubens:
Zuerst kommt das „Gesehen haben“, das „Wahr-nehmen“. Egal wie wenig ich vielleicht verstanden habe – mir ist klar dass ich um die Wahrheit des Wahrgenommenen nicht mehr drumherum komme. So wie ich mir eingestehen kann, verliebt zu sein, ohne deshalb alles über die Liebe erklären zu können.
Danach kommt das „Bezeugen“. Wer etwas bezeugt, der steht auf Anfrage zu dem Gesehenen und Geschehenen. Der identifiziert sich mit dem, was passiert ist. Der lässt zu, dass es ein Teil des eigenen Lebens geworden ist. Aus dem Sich-Eingestehen erwächst im Lauf der Zeit ein Dafür-Einstehen.
Und schließlich „verkündigen“. Wenn ich verkündige, lebe und handle ich im Auftrag eines anderen. Der Glaube verlässt die Zone der wohltemperierten eignen Erfahrungswelt und geht das Wagnis ein, nach außen sichtbar zu werden, in Wort und Tat. Wer verkündigt, legt sich öffentlich fest, risikiert dass er theoretisch falsch liegen könnte, verbindet sein öffentliches Ansehen untrennbar mit dem Verkündigten. Ein öffentliches Bekenntnis, eine offizielle Verbindung – ein bisschen wie bei einer Heirat.
Verliebt, verlobt verheiratet… wir haben gesegen, wir bezeugen, wir verkündigen… Ich frage mich, wie eigentlich meine Beziehung zum Mensch-gewordenen Gott aussieht. Ich finde, an Weihnachten liegt diese Frage nahe. Wie würdest du sie beantworten?