Die Kirche nach Corona

Seit Monaten hat die Corona-Pandemie unseren gesellschaftlichen und persönlichen Alltag deutschlandweit im Griff – und logischerweise auch viele christliche Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften vor Ort.

Für viele dieser Ortsgemeinden ist es eine Zerreißprobe: Auf der einen Seite könnten viele Menschen in Zeiten wie diesen die Besonnenheit, Barmherzigkeit und Hoffnung gut gebrauchen, die von Christen ausgehen könnte, ja, ausgehen müsste. Wer, wenn nicht wir Christen, könnten unsere Gesellschaft ermutigen, sich im Angesicht von Krise und Krisenfolgen mutig mit lieb gewonnenen Fehlhaltungen auseinander zu setzen und umzulernen?

Auf der anderen Seite sind viele Gemeinden immer noch mit sich selbst beschäftigt und kämpfen mit dem Naheliegenden und Vordergründigen ihres „Kerngeschäfts“. Zum Beispiel, wie sie ihren Sonntagsgottesdienst weiter am Laufen halten und/oder digitalisieren können. Und wenn es gut läuft, auch noch ein paar Gruppen und Kreise.

Wenn ich hinhöre auf das, was ich im persönlichen Kontakt in den letzten Monaten von Pastoren und Pfarrerinnen, von Leitenden von Ortsgemeinden und Repräsentanten ganzer Gemeindeverbände gehört habe, dann halten sich Enthusiasmus, Optimismus und Zuversicht denn auch eher in Grenzen:

  1. Viele beklagen eine zunehmende Polarisierung und erodierende Streitkultur in ihren Kreisen (siehe dazu auch meinen Post Was Christen auseinander treibt und was uns zusammenhalten lässt).
  2. Viele beklagen den Beziehungs- und Bindungsverlust von Menschen, meistens entweder die mit besonderen diakonischen Bedürfnissen oder die mit einer ausgeprägten Gottesdienst-Konsumhaltung.
  3. Viele halten es für ausgemacht, dass eine ganze Reihe von Gemeindeaktivitäten, Dienstbereiche und teilweise ganze Ortsgemeinden die Krise nicht überleben werden.
  4. Viele Verantwortungsträger haben sich selbst an der Krise auch schlicht müde geschafft und müde gemanagt, zermürbt von der Umsetzung und Durchsetzung immer neuer Corona-Regularien, von der gravierenden Veränderung ihres Berufsalltags vom „nahbaren Hirten“ zum „digitalen Kommunikator und Organisator“.

Neulich sagte einer bei einem Online-Seminar zu mir: „Wir müssen jetzt lernen, wie das Digitale funktioniert, bis die Krise vorbei ist und wieder alles so sein kann wie vorher“. Ich verstehe die Empfindung, ehrlich. Trotzdem führt sie letztlich in die Irre. Denn es wird nicht mehr so sein wie vorher. An den Universitäten nicht, in vielen Büros nicht – und auch in vielen Gemeinden und Kirchen nicht.

(Ich bin zum Beispiel überzeugt, dass zum Beispiel die Gottesdienste der Zukunft digitaler, interaktiver und experimentierfreudiger werden können, ja, werden müssen. „Never waste a crisis“, das gilt auch für die Kirche nach Corona!)

Ich wünsche der Gemeinde Jesu und ihrem Bodenpersonal (zu dem ich mich ja selbst auch zähle), dass wir den Mut finden, die Chance dieser Krise zu sehen und zu nutzen. Dass wir uns nicht von der Frage leiten lassen „Wie können wir alles wiederherstellen, was früher war?“. Sondern von der Frage „Was können wir im Nachgang dieser Krise aus unserer Erfahrung heraus neu, anders, besser machen?“

In einer Krise brauchen Menschen eine positive Zuversicht nach vorne. Das gilt für mögliche Lockerungen des Lockdowns in unserer Gesellschaft als Ganzes genauso wie für die Zukunft von Kirche und den Menschen, die sie ausmachen.

Wenn du diese Zeilen liest und Pastor oder Pfarrerin bist, oder an irgendeiner Stelle Verantwortung trägst für Gemeinde Jesu vor Ort oder überregional – verliere nicht den Mut! Du bist nicht allein! Verkämpfe dich nicht in der Fixierung auf konkrete Formen, eingeübte Gewohnheiten und etablierte Muster – aber halte unbedingt fest an deinem Traum von einer Gemeinschaft der Jesusnachfolge.

Dieser Traum ist es wert, weiter geträumt zu werden. Es ist der Traum , den Christus selbst träumt. Und es ist dieser Traum, der auch „nach Corona“ der Kern von Kirche sein wird.

 

Veranstaltungshinweis: 5.3. 17 Uhr: Zoom-Seminar „Vorsicht, Kamera! – Predigen für den digitalen Raum“

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